TierarztTalk: Angst vor Feuerwerk
Tierische Panik: Feuerwerksangst bei Hunden und Katzen
Im neusten TierarztTalk spricht die leitende Tierärztin der MeikoVet Kleintierpraxis in St. Gallen, Dr. med. vet. Julia Rettberg, über die vielen Reize, die während eines imposanten Feuerwerks auf unsere Haustiere einwirken. Wie sich Feuerwerksangst bei unseren Vierbeinern bemerkbar macht und was man als Tierhalter auf keinen Fall tun sollte, um das Tier zu beruhigen.
Warum haben Hunde und Katzen Angst vor Feuerwerk?
Grundsätzlich haben nicht alle Hunde und Katzen Angst vor einem Feuerwerk. Die Tiere können unterschiedlich auf Feuerwerk reagieren. Sie verbinden die lauten, knallenden Geräusche mit keiner greifbaren Gefahr, der sie sich entweder stellen würden, oder aber die Flucht ergreifen, wenn sie sich unterlegen fühlen. Die grellen Lichtblitze werden nicht zwangsläufig mit dem Pfeifen und Donnern verbunden, können das Tier jedoch zusätzlich verunsichern, da sie diese ebenso wenig zuordnen können.
Wie macht sich die Angst bemerkbar bei unseren Haustieren?
Beim ersten Knall kann es sein, dass der Hund erst einmal erschrickt und sich duckt, während die Katze vielleicht vor Schreck einen Sprung macht und versucht, sich vor der Gefahr zu verstecken. Die nächste Reaktion ist abhängig von der Selbsteinschätzung des Tieres und von früheren Erfahrungen. Ein Tier, welches sich vor dem Feuerwerk fürchtet, erstarrt und konzentriert sich mit allen Sinnen auf die vermeintliche Gefahr: Die Augen sind weit aufgerissen, damit keine Bewegung, die auf einen vermuteten Angreifer hindeuten würde, übersehen wird. Die Ohren sind gespitzt und die Muskeln sind angespannt, damit der Körper für einen Kampf oder eine Flucht vorbereitet ist. Der hohe Adrenalinspiegel verursacht ein Muskelzittern.
«Diensthunde, wie Deutsche und Belgische Schäferhunde etwa, werden sozusagen auf Schussfestigkeit gezüchtet.»
Dr. med. vet. Julia Rettberg, Leitende Tierärztin
Können chronische Symptome auftreten?
Hier muss unterschieden werden, ob ein Hund generell ängstlich ist, oder ob er sich vor einem Reiz (in diesem Fall verursacht vom Feuerwerk) fürchtet. Angst kann das Erleben des Alltags des Hundes erheblich beeinträchtigen, da er sich gelähmt fühlt und normale Interaktionen mit Artgenossen und seinen Bezugspersonen stören oder gar unmöglich machen kann. Furcht vor dem Ereignis stellt sich dagegen nur ein, solange die Reize andauern, vor denen sich der Hund fürchtet. Daher kann die Angst vor Feuerwerk nicht chronisch werden, kann aber wiederkehren.
Beeinflussen genetische Faktoren das Angstverhalten eines Hundes?
Genetische Faktoren haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Hund im Umgang mit bedrohlichen Reizen oder gar Gefahrensituationen. Diensthunde, wie Deutsche und Belgische Schäferhunde etwa, werden daher sozusagen auf Schussfestigkeit gezüchtet. Ist die Hündin sehr souverän und entspannt, wird sie diese Eigenschaft mit ihren Genen ein Stück weit auf ihre Welpen übertragen. Sofern die Welpen in den ersten Wochen bereits eine Erfahrung mit lauten Geräuschen machen, werden sie sich an der Mutter orientieren und ihre Verhaltensweisen annehmen.
Wie kann der Hund und die Katze beruhigt werden, wenn sie Angst haben?
Hunde brauchen einen souveränen, ruhigen Hundeführer. Um einen Hund beruhigen zu können, müssen wir selbst die Ruhe bewahren und dem Hund signalisieren, dass wir die Situation im Griff haben und diese als ungefährlich einstufen. Auf keinen Fall dürfen wir das Verhalten des Hundes im falschen Moment bestätigen. Hier empfiehlt es sich, einen Hundetrainer zu Rate zu ziehen.
Katzen sind hier anders. Versteckmöglichkeiten bieten der Katze ein Gefühl der Sicherheit, besonders dicke, schalldämmende Decken, welche über Stühle und Sofas gelegt werden, können helfen, wenn die Katze sich fürchtet. Auf keinen Fall sollte die Katze aus ihrem Versteck gezerrt und auf den Arm genommen werden. Nicht selten werden Katzenhalter in solchen Situationen von der eigenen Katze verletzt, weil diese sich aus dem Griff befreien und panisch die Flucht ergreifen möchte.
Können Medikamente eingesetzt werden?
Es gibt eine Reihe von Medikamenten, denen eine beruhigende Wirkung zugeschrieben wird. Es gibt inzwischen sehr viele pflanzliche Produkte, welche beispielsweise Grünteeextrakt, Aminosäuren (wie L-Tryptophan) und Vitamine, zum Teil aber auch CBD (Cannabidiol) enthalten.
Für Katzen gibt es pheromonhaltige Präparate in Form von Sprays und Diffusoren. Diese können zu Hause in der Nähe der Schlafplätze eingesetzt oder in die Katzenbox gesprüht werden.
Von stark beruhigenden Medikamenten, die den Kreislauf belasten, sollte abgesehen werden. Einige sogenannte Tranquilizer verändern nicht die Wahrnehmung der furchteinflössenden Reize, sondern beeinträchtigen nur die Fähigkeit, auf diese reagieren zu können. Für den Tierhalter erscheint das Tier ruhig, obwohl es in Wirklichkeit einen sehr hohen Stresspegel hat, weil es nicht davonlaufen kann, obgleich es sich stark fürchtet.
Ab wann handelt es sich um eine Angststörung die professionell behandelt werden muss?
Hunde aus dem Ausland oder gerettete Tiere aus schlechten Haltungsbedingungen können schwere Verhaltensstörungen aufweisen, wenn die frühe Prägungsphase nicht optimal abgelaufen ist. Diese sollten in jedem Fall in Zusammenarbeit mit einem Tiertrainer angegangen werden. Es gibt auch Tierärzte, welche sich auf Verhaltenstherapie spezialisiert haben und Psychopharmaka beim Tier einsetzen.
«Von stark beruhigenden Medikamenten, die den Kreislauf belasten, sollte abgesehen werden.»
Dr. med. vet. Julia Rettberg, Leitende Tierärztin
Kann eine Katze oder ein Hund desensibilisiert werden?
Mithilfe eines geduldigen Umgangs und einem konsequenten Training können Hunde und Katzen desensibilisiert werden, indem der Reiz mit einer neuen Erfahrung verknüpft wird. Dies erfordert zum einen Geschick im Lesen der Tiere und zum anderen ein gutes Timing. Wird das Tier im falschen Moment bestätigt, kann dies die unerwünschte Verhaltensweise noch verstärken.
Hunde, die langsam und sozusagen vorsichtig dosiert an laute Geräusche gewöhnt werden, empfinden das Feuerwerk als weniger bedrohlich als Tiere, die sich selbst überlassen werden und entscheiden müssen, wie sie mit der unsichtbaren Gefahr umgehen.
Sind Geräusche für Hunde lauter als für Menschen?
Es gibt Geräusche in Frequenzbereichen, die ein Hund besser hört als der Mensch. Das menschliche Ohr ist für Frequenzen im mittleren Bereich am empfindlichsten, während der Hund viel höhere Frequenzen wahrnehmen kann als der Mensch. Das Geräusch an sich wird deshalb von Hunden aber nicht unbedingt als lauter empfunden.
Hören Katzen besser als wir Menschen?
Die Katze kann, wie der Hund, höhere Frequenzen wahrnehmen als der Mensch. Sie hat einen breiteren Frequenzbereich und nimmt somit mehr Geräusche wahr als der Mensch.
Können Hörtests bei Tieren gemacht werden?
Da uns die Tiere nicht sagen können, ab wann sie einen Ton hören, müssen wir uns zum einen auf die Reaktionen des Tieres verlassen, zum anderen können über Elektroden und entsprechende Geräte die elektrischen Impulse im Gehirn gemessen und aufgezeichnet werden. Dadurch kann Beispielweise bei weissen Katzen mit blauen Augen, bei denen Taubheit genetisch vorkommen kann, die Frage nach dem Hörvermögen mit «ja» oder «nein» beantwortet werden.
Was kann bei Hunden gemacht werden, welche nicht mehr gut hören?
Unsere Körpersprache kann dem Hund helfen, uns auch ohne Kommandos zu verstehen. Forscher vermuten, dass wir unbewusst ohnehin sehr viele Signale an den Hund senden, anhand derer dieser unsere Stimmung ablesen kann. Indem wir unsere Hunde vom Welpenalter an erziehen, dass sie auf uns schauen und sich an uns orientieren, wird dies zur Routine und erleichtert später den Alltag mit einem alten, schwerhörigen Hund. Dennoch sollte der Hund in Gefahrensituationen an der Leine geführt werden, wenn er seine Umgebung nur noch eingeschränkt wahrnehmen kann.
«Es gibt Geräusche in Frequenzbereichen,
die ein Hund besser hört als der Mensch.»
Dr. med. vet. Julia Rettberg, Leitende Tierärztin
Autorin:
Dr. med. vet. Julia Rettberg
Dr. med. vet. Julia Rettberg ist leitende Tierärztin bei MeikoVet in St. Gallen und ist eine akkreditierte Augenärztin für Tiere. Sie hat von der International School of Veterinary Postgraduate Studies (ISVPS) das Zertifikat General Practitioner Certificate in Ophthalmology erhalten.
Autorin:
Dr. med. vet. Julia Rettberg
Dr. med. vet. Julia Rettberg ist leitende Tierärztin bei MeikoVet in St. Gallen und ist eine akkreditierte Augenärztin für Tiere. Sie hat von der International School of Veterinary Postgraduate Studies (ISVPS) das Zertifikat General Practitioner Certificate in Ophthalmology erhalten.