TierarztTalk: Dunkelheit

Hunde im Dunkeln: Ihre Sicht und Wahrnehmung bei Nacht

In der aktuellen Ausgabe des TierarztTalks widmet sich unsere Haustierheldin Dr. med. vet. Julia Rettberg dem Thema Dunkelheit und beantwortet spannende Fragen rund um unsere geliebten Vierbeiner. Als leitende Tierärztin in der MeikoVet Kleintierpraxis in St. Gallen teilt sie ihr umfangreiches Wissen und gibt Einblicke in die Welt der Hunde bei Nacht.

Können Hunde bei absoluter Finsternis sehen?
Bei absoluter Dunkelheit können auch Hunde nichts mehr sehen. Die Sinneszellen der Netzhaut benötigen wenigstens schwache Lichtreflexionen, wie z.B. vom Mondlicht.

Warum sehen Hunde in der Dämmerung besser als Menschen?
Die Netzhaut (Retina) des Hundeauges weist eine andere Zusammensetzung von Stäbchen (Sinneszellen für das Hell-Dunkel-Sehen) und Zapfen (für das Farbsehen) auf als die des Menschen. Dies ist auf die evolutionären Anpassungen zurückzuführen. So benötigt der Wolf als Vorfahr des Hundes die Fähigkeit, seine Beute auch bei Dämmerung erspähen zu können, während der Steinzeitmensch als Jäger und Sammler vom Farbsehen profitierte, um beispielsweise den Reifegrad von Früchten feststellen zu können. Zusätzlich reflektiert der Bereich im Augenhintergrund des Hundes, welcher als «Tapetum lucidum» bezeichnet wird, das einfallende Licht und verstärkt so die Sinneswahrnehmung. Dies ist der Grund, warum Hunde auf Fotos oft grüne Augen haben.

«Dass Hunde nur schwarz-weiss sehen,
ist ein Mythos.»

Dr. med. vet. Julia Rettberg, Leitende Tierärztin

Gibt es weitere Tiere die besser sehen bei wenig Licht?
Nachtaktive Jäger, wie Eulen und Katzen, aber auch Beutetiere, wie Kaninchen, sehen sehr viel besser bei wenig Licht als der Mensch.

Welche Farben sehen Hunde?
Hunde können die kürzeren Wellenlängen des Farbspektrums von Violett über Blau und Grün bis Gelb wahrnehmen. Sie besitzen besonders viele Rezeptoren für blaues und gelbes Licht, dagegen können Farbtöne, die für uns orange bis rot erscheinen, von Hunden nicht unterschieden werden, da die Rezeptoren der Netzhaut nicht für die längeren Wellenlängen empfänglich sind. Dass Hunde nur schwarz-weiss sehen, ist ein Mythos.

Wie weit sehen Hunde?
Hunde können ähnlich weit sehen wie wir Menschen. Die Sehschärfe wird bei Hunden zwar nicht routinemässig untersucht, da sie beim domestizierten Hund nicht überlebenswichtig ist, wie bei uns gibt es auch bei Hunden kurzsichtige Individuen. So gibt es Studien bei Deutschen Schäferhunden, die aus dem Dienst genommen wurden, weil sie im Schutzdienst nicht gut arbeiteten. Bei diesen Hunden wurden die Augen untersucht und eine Kurzsichtigkeit festgestellt.

Sind blinkende Leuchtartikel unangenehm für den Hund?
Blinkendes Licht, vor allem in verschiedenen Farben, kann den Hund irritieren, da sich z.B. Schatten in der Umgebung anders darstellen und der Hund sich nicht auf seine Augen verlassen kann. Ein sehr entspannter Hund hat damit vermutlich weniger Probleme als ein eher ängstlicher und schreckhafter Hund.

Wie nimmt ein Hund den Nachtspaziergang wahr?
Der Hund ist ein «Nasentier». Gerüche sind für den Hund viel wichtiger als visuelle Reize. In der Dunkelheit ist es in der Regel kühler und feuchter. Tagsüber, vor allem bei Hitze, steigen die geruchstragenden Partikel mit der warmen Luft auf und werden vom Wind weggeweht. Die Fähigkeit, Geruchspartikel aus der Luft zu filtern und damit wahrzunehmen hängt von der Anzahl der Partikel ab, die in der Luft enthalten sind. Daher läuft der Hund sogar gern bei Dämmerlicht umher und beschnüffelt seine Umwelt.
Gewinnt der Hund nicht ausreichend Informationen über das Auge oder die Nase, konzentriert er sich auf sein Hörvermögen. Daher reagiert er auf Geräusche, wie ein Knacken oder Rascheln stärker als bei Tag.

Haben Hunde Angst im Dunkeln?
Hunde haben generell keine Angst vor der Dunkelheit. Nichtsdestotrotz können eher ängstliche und unsichere Hunde im Dunkel stärker auf Reize reagieren, da sie sich in einer erhöhten Alarmbereitschaft befinden, wenn sie weniger sehen. Ausserdem können sie auf schemenhafte Gestalten reagieren, die sich nicht mit Geräuschen ankündigen, sondern sich lautlos annähern, wie etwa ein breitschultriger Mann mit Kapuze und dunkler Regenjacke oder einem grossen Regenschirm.

Wie merke ich, dass der Hund Angst hat?
Wenn der Hund Vertrauen zu seinem Hundeführer hat, wird er sich an ihm orientieren, wenn er Angst hat. Ein Hund dagegen, der glaubt, Herrchen oder Frauchen beschützen zu müssen, prescht wiederum eher vor und verbellt eine vermeintliche Gefahr, vor der er Angst hat.

«Der Hund ist ein Nasentier.
Gerüche sind für den Hund viel wichtiger als visuelle Reize.»

Dr. med. vet. Julia Rettberg, Leitende Tierärztin

 

Welche Krankheiten können die Sicht im Dunkeln beeinträchtigen?
Alle Trübungen der sonst durchsichtigen Teile des Auges (Hornhaut, Kammerwasser, Linse, Glaskörper) beeinträchtigen die Sicht nicht nur bei Nacht, sondern auch am Tag. Ursachen können sein: grauer Star (Trübung der Linse), Entzündungen oder Blutungen im Innenauge. Je weniger Lichtreize auf die Netzhaut gelangen, desto schlechter kann der Hund sehen.

Gibt es Naturheilmittel für die Augen?
Vitamin A gilt nach wie vor als natürliche «Nahrung» für die Sinneszellen. Es sollte jedoch nicht zugefüttert werden, wenn der Hund ohnehin genügend über die Nahrung aufnimmt. Bei Katzen kann eine Vitamin-A Überdosierung (z.B. bei ausschliesslicher Leberfütterung) sogar zu einer krankhaften Verknöcherung der Wirbelsäule führen.

 

Wie kann gegen Augenkrankheiten vorgebeugt werden?
Prophylaxe ist, wie in allen Bereichen der Gesundheit, wichtig, um Erkrankungen frühzeitig erkennen zu können. Dazu gehört, sich zu informieren, welche Rasse anfällig für bestimmte Krankheiten ist. Der Deutsche Schäferhund kann eine chronische Hornhautentzündung entwickeln, die durch UV-Strahlung begünstigt wird. Wird diese frühzeitig erkannt und konsequent behandelt, kann der Hund damit gut leben. Erkrankte Hunde können mit einer Sonnenbrille vor der schädlichen UV-Strahlung geschützt werden.
Beim Jack-Russel-Terrier hingegen kann es zu einer Linsenluxation (Loslösung aus dem Aufhängeapparat und Verlagerung in die vordere Augenkammer oder in den Glaskörper) und einem daraus resultierenden Glaukom kommen. Hier ist eine Früherkennung und die richtige Behandlung sehr wichtig, da die Druckerhöhung im Auge äusserst schmerzhaft ist und den Hund sogar das Sehvermögen kosten kann.
Der Labrador kann im mittleren Alter durch eine fortschreitende Abnahme der Sinneszellen (Atrophie) der Netzhaut erblinden. Zur Früherkennung der progressiven Retinaatrophie (PRA) können inzwischen sogar Gentests gemacht werden.

Dunkelheit birgt Unfallgefahren. Sind Unfälle in der Dunkelheit ein häufiges Problem für Hunde, die eure Praxis aufsuchen?
Es kommt immer wieder vor, dass ein verunfalltes Tier abends in die Praxis kommt. Reisst sich ein Hund in der Dunkelheit von der Leine los und läuft auf die Strasse, ist das Unfallrisiko viel höher als bei Tageslicht, da auch der Autofahrer den Hund unter Umständen nicht oder zu spät bemerkt. Das Gleiche gilt im Wald, wenn der Hund beispielsweise einer Katze oder einem Hasen hinterherläuft und dabei in eine Mulde tritt oder an einem Stacheldraht hängen bleibt, welchen er tagsüber gesehen hätte.

Leuchtende und reflektierende Artikel für Mensch und Tier finden Sie in der Themenwelt «Dunkelheit» der Meiko Heimtierbedarf AG.

Was gibt es aus ärztlicher Sicht bei Dunkelheit mit Hund zu beachten?
Achten Sie darauf, dass Sie und Ihr Hund für Verkehrsteilnehmende mit Fahrrädern und Autos sowie für entgegenkommende Personen gut sichtbar sind. Es empfiehlt sich, zusätzlich zum Leuchthalsband oder -geschirr eine Leine mit reflektierenden Elementen zu wählen. So werden unerwünschte Stolperfallen vermieden. Bei unsicheren Hunden, welche sich von leuchtenden und blinkenden Gegenständen irritieren lassen, können alternativ auch reflektierende Artikel eingesetzt werden. In den Geschäften der Meiko Heimtierbedarf AG finden Sie eine erlesene Auswahl an hochwertigen Leuchtartikeln, die Ihnen und Ihrem Vierbeiner dabei helfen, in der Dunkelheit optimal sichtbar zu sein.

Weitere spannende Fakten?
Dass man Hunden mit grauem Star inzwischen die Linsen operieren kann, ist bereits vielen Besitzern bekannt. Dagegen wissen nicht viele, dass es sogar künstliche Linsen für Hunde gibt, die als Ersatz für die entnommene Linse ins Auge eingesetzt werden können.

Autorin:

Dr. med. vet. Julia Rettberg

Dr. med. vet. Julia Rettberg ist leitende Tierärztin bei MeikoVet in St. Gallen und ist eine akkreditierte Augenärztin für Tiere. Sie hat von der International School of Veterinary Postgraduate Studies (ISVPS) das Zertifikat General Practitioner Certificate in Ophthalmology erhalten.

Mirkochirugie (Operation an der Hornhaut) einer Katze unter Verwendung einer Lupenbrille.

Autorin:

Dr. med. vet. Julia Rettberg

Dr. med. vet. Julia Rettberg ist leitende Tierärztin bei MeikoVet in St. Gallen und ist eine akkreditierte Augenärztin für Tiere. Sie hat von der International School of Veterinary Postgraduate Studies (ISVPS) das Zertifikat General Practitioner Certificate in Ophthalmology erhalten.